Romneys Russland-Feindbild:Wer schwach ist, hält sich einen Feind

Lesezeit: 3 min

Staatsfeind Nummer eins? "Das riecht nach Hollywood", anwortet Russlands Präsident Medwedjew auf entsprechende Äußerungen des US-Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Romneys Russland-Feindbild spiegelt - ebenso wie Putins Militär-Phantasien - die Sehnsucht nach klaren Verhältnissen. Doch die Lust an Schwarz-Weiß-Malerei ist in Wahrheit ein Zeichen großer Schwäche.

Stefan Kornelius

Der russische Auslauf-Präsident Dmitrij Medwedjew verfügt ganz offensichtlich über gute Kenntnisse des amerikanischen Filmgeschäfts, weshalb ihm aufgefallen ist, dass sein Land wieder häufiger herhalten muss als Feind. Vielleicht ist dem Präsidenten die hässliche Szene im letzten Mission-Impossible-Film in Erinnerung, in der sein Arbeitsplatz in die Luft gesprengt wird. Auch wenn der Kreml-Attentäter im Film aus dem kriminellen Milieu stammte - die goldenen Kuppeln, grobschlächtige Offiziere, geheime Nuklearcodes und ideologisch motivierte Verschwörungen sind aus Hollywood-Sicht wohl unverzichtbare Requisiten einer echten Gefahr.

"Russland ist ohne Frage unser geopolitischer Feind Nummer eins": US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney setzt im Wahlkampf auf klare Feindbilder. (Foto: AP)

Deswegen war es charmant, wie Medwedjew nun eine Lappalie im US-Wahlkampf nutzte, um diesem Amerika eine Lektion zu erteilen. Präsidentenkollege Barack Obama hatte ihm zuvor zugewispert, er möge in Sachen Nuklear-Abrüstung Geduld haben - im November sei er wieder flexibler in seinen Verhandlungen. Der vertrauliche Austausch wurde von Mikrofonen aufgefangen, und Obama musste sich von Möchtegern-Herausforderer Mitt Romney sagen lassen, er spiele leichtfertig mit Amerikas Schicksal, "Russland ist ohne Frage unser geopolitischer Feind Nummer eins." Das war selbst für Medwedjew zu viel der Ehre: Der Kandidat Romney möge doch auf die Uhr schauen und feststellen, dass es sich um das Jahr 2012 handele, nicht um 1970, riet Medwedjew. Staatsfeind Nummer eins - "das riecht nach Hollywood."

Medwedjew hätte genauso gut seinem Vorgänger wie Nachfolger Wladimir Putin eine Uhr schenken können, denn es war dieser Putin, der ebenfalls im Wahlkampf vor wenigen Wochen Russlands Großmachtseele bediente mit dem Versprechen, das Militär ordentlich aufzurüsten und Widerstand zu leisten gegen Amerikas Raketenabwehr. Will er also nie verschwinden, dieser Kalte Krieg? Oder will die Welt mangels wirklicher Probleme hier nur ein bisschen Polit-Nostalgie betreiben?

Feindbilder erlauben keine Schattierungen

Die Lust am Feindbild ist in Wahrheit Ausweis großer Schwäche. Feindbilder helfen bei der klaren Einteilung der Welt, sie zwingen zur Geschlossenheit, sie erlauben keine Grautöne. Im Wahlkampf ist das Feindbild besonders hilfreich, weshalb Putin die patriotisch-martialischen Bedürfnisse seiner Landsleute bediente, genauso wie ein Mitt Romney nun die alten Russland-Klischees hervorholt. Vielleicht will er die Nation zum Frösteln bringen - das dumpfe Russland-Bild löst auch in Salina, Kansas, die gewünschten Emotionen aus. Schließlich hat man die Silos mit den Langstreckenraketen direkt vor der Haustür und kennt sich besser aus mit Zweitschlagtheorien als mit dem Zweistromland. Vielleicht kalkuliert Romney auch nur, dass er Russland relativ gefahrlos die Feindschaft erklären kann - bei Amerikas wichtigstem Gläubiger China wäre etwas mehr Vorsicht angeraten.

Im schlimmsten Fall wissen es Romney und seine Berater nicht besser und messen Amerikas Stärke tatsächlich an Russlands Schwäche. Betrachtet man die außenpolitische Substanz des republikanischen Bewerberquartetts, würde das nicht weiter verwundern. Ein differenziertes Weltbild ist im Präsidentschaftsrennen längst keine Bewerbungsvoraussetzung mehr. Die Kenntnis der Welt und der kluge Umgang mit immer komplexeren außenpolitischen Themen gehören nicht einmal mehr zum bildungsbürgerlichen Kanon der USA, geschweige denn zum Volksgut.

Nur wer innerlich schwach ist, hält sich einen äußeren Feind. Amerika ist nicht schwach, aber es ist verunsichert. Der Terror als Kriegsgegner hat bis heute nicht kapituliert, er ist lediglich im Nebel verschwunden. Die Nation ist durch die Kriege in Irak und Afghanistan zermürbt und würde sie am liebsten verdrängen. Verlieren wird man sie nicht, aber auch nicht gewinnen. Das Land möchte nichts mehr mit ihnen zu tun haben.

Clintons stille Diplomatie erfährt keine Anerkennung

Was fehlt, ist der Feind, der sich in den althergebrachten Kategorien von militärischer Stärke und klarer ideologischer Gegnerschaft vermessen lässt. Die stille aber hochtourige Diplomatie des Außenministeriums unter Hillary Clinton, gerade in Nahost, erfährt keine Anerkennung. Nur wenn die Ministerin auf einem Kreuzer im Pazifik steht und die Fäuste gen Peking reckt, nur wenn der Präsident einen Truppenstützpunkt in Australien eröffnet, reagiert die Nation und schaut auf China als neuen Feind nach klassischem Muster.

China wird den USA diesen Gefallen nicht tun und sich einer offenen Feindschaft entziehen. Und auch Russland könnte größeren außenpolitischen Nutzen daraus ziehen, wenn sich die Nation dem Westen Europas zuwendete und mit einem Kooperations- und Modernisierungsprogramm die alten geopolitischen Strukturen zerstörte.

Romneys Russland-Feindbild und Putins Militär-Phantasien spiegeln die Sehnsucht nach klaren Verhältnissen, nach Gut und Böse, nach Starken und Schwachen. Die Welt ist darüber längst hinweggegangen. Sie bastelt an neuen Feindbildern, sie möchte Umweltzerstörern, Menschenschlächtern, Freiheitsverhinderern das Handwerk legen. Moderne Staaten nehmen keine Nationen mehr zum Feind. Sie pflegen Bündnisse.

© SZ vom 29.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: